„Beruhigt euch ‘mal“ – Der Streit um die neue EU-Urheberrechts-Reform geht weiter

Axel Voss

Axel Voss (CDU, MdEP)

Die Debatte um Upload-Filter findet trotz EU-Beschluss kein Ende. Gegner der Urheberrechts-Reform befürchten jetzt eine Einschränkung der Kreativität im Netz. Axel Voss (MdEP), Beauftragter für die neue EU-Richtlinie, versucht die aufgebrachten Internet-Aktivisten zu beruhigen: Die Vorschriften würden die Rechte der Kreativen stärken, indem große Internet-Konzerne zur Kasse gebeten werden sollen. Mitte April stimmt der EU-Rat ab. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag fordert nun den Kompromiss: Ein Urheberrecht ohne Upload-Filter – in Deutschland.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie befinden sich auf einer Party und holen Ihr Smartphone heraus, um ein Video aufzunehmen, mitsamt der Hintergrundmusik. Dieses wollen Sie nun mit Ihren Freunden teilen, z.B. auf YouTube. Doch dann: Bei jedem Versuch das Video hochzuladen, verhindert YouTube die Veröffentlichung. Aus urheberrechtlichen Gründen, so die Fehlermeldung.

Genau das soll bald Realität werden: Vor einer Woche hat das Europäische Parlament in Straßburg eine neue Urheberrechts-Richtlinie beschlossen. Mit dabei: Upload-Filter, früher zu finden im Artikel 13 der Richtline, jetzt im Artikel 17. Diese sollen urheberrechtlich geschützte Bilder, Videos, Musik und sogar Texte bereits beim Hochladen erkennen und die Veröffentlichung blockieren. Um diese Upload-Filter dreht sich ein monatelanger Streit, der trotz EU-Beschluss nicht abreißt.

Netz-Politiker und Internet-Aktivisten gegen Artikel 13/17

Netz-Politiker und Internet-Aktivisten sind sich einig: Kreativität und Meinungsfreiheit seien mit Upload-Filtern gefährdet. Zensur, so der Vorwurf. Allen voran: Julia Reda. Sie sitzt für die Piratenpartei im EU-Parlament. In ihrer Rede im EU-Parlament hat sie letzten Dienstag auf zahlreiche Proteste gegen Artikel 13/17 hingewiesen. 200.000 Menschen hätten europaweit gegen Upload-Filter demonstriert. 5 Millionen hätten eine Petition unterzeichnet. Die Befürworter würden diese Proteste ignorieren:

Letzten Donnerstag gab sie dem YouTuber HerrNewsTime (bürgerlich: Thomas Hackner) ein Interview. Dort verwies sie auf die unwahrscheinliche Möglichkeit, dass die EU-Richtlinie Mitte April im Europäischen Rat gekippt werden könnte, wenn die Bundesregierung ihre Haltung ändern würde. Diese sieht vor, auf europäischer Ebene der Richtlinie immer zuzustimmen. Reda sehe jetzt vor allem die „Bundesregierung als Ganzes“ in der Pflicht, sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Justizministerin Katarina Barley (SPD). Letztere müsse von der Koalitionshaltung abweichen, die von der CDU/CSU geprägt sei. Das wäre allerdings ein Koalitionsbruch:

Der ZDF-Sendung „heute“ sagte Barley aber:

In der Richtlinie stehen ganz viele sehr wichtige Sachen drin, die Künstlern ihr Recht, auch im Netz, aber nicht nur da, sichern.

Eine Zustimmung im EU-Rat gilt somit als gesetzt.

Timo Woelken, der für die SPD im EU-Parlament sitzt und daher nicht an Koalitionsabsprachen im Bundestag gebunden ist, widerspricht Barley. Er stimmte letzten Dienstag im EU-Parlament gegen die Urheberrechts-Reform. Auf seiner Webseite meldet er – nach dem Beschluss – vor allem rechtliche Bedenken an. Er sieht die Meinungsfreiheit der Kreativen als gefährdet an:

Satire, Parodie oder vom Zitatrecht gedeckte Verwendungen werden nun fälschlicherweise geblockt.

Aus diesem Grund würden auch Wissenschaftler die EU-Richtlinie ablehnen, so Woelken. Zur Wissenschaft gehört der Verein Digitale Gesellschaft e.V.. Dieser meint, YouTube und Co würden zukünftig mehr filtern, als notwendig:

Da im Falle einer Urheberrechtsverletzung das Risiko einer Klage über den Plattformen schwebt, sie hingegen für den Fall, dass Inhalte fälschlich gelöscht werden, keine Konsequenzen zu befürchten haben, ist zu erwarten, dass es zu massivem Overblocking kommt. Das meint, dass die Plattformen aus Vorsicht deutlich mehr Inhalte blockieren als eigentlich nötig.

Und die Youtuber? Felix von der Laden, der auf Googles Videoplattform eine Reichweite von 3,2 Millionen Abonnenten genießt, warf letzten Donnerstag in der ZDF-Talkshow Maybrit Illner der älteren Generation ein fehlendes Sachverständnis vor. Er sei wütend, weil

der Verantwortliche für solch eine Gesetzgebung jemand ist, der das Ganze nicht versteht.

„Beruhigt euch ‘mal“ – Die Stimmen der Befürworter

Von der Laden meint Axel Voss (CDU), Beauftragter für die Richtlinie im Europa-Parlament. Voss hält die Proteste für übertrieben. In Richtung der YouTuber und Netzpolitiker, die er wahrscheinlich alle für Kinder oder Jugendliche hält, sagte er dem ZDF im väterlichen Tonfall:

Jetzt beruhigt euch ‘mal. So schlimm, wie ihr hier das alles darstellt, wird das gar nicht.

Ihm ginge es darum, die Rechte der Urheber zu stärken, indem die großen Plattformen Geld an die Kreativen abgeben sollen. Was meint er damit? Die EU-Urheberrechts-Reform sieht vor, dass zukünftig Internet-Plattformen für geschützte Werke auf ihren Seiten haften müssen und nicht mehr der Benutzer, der diese hochgeladen hat. So wären YouTube und Co am Zug, mit den Rechte-Inhabern Lizenzverträge abzuschließen, um sie pauschal zu entlohnen. Ein Hochladen deren Werke wäre dann legal. Auf der Webseite des Europäischen Parlaments ist entsprechend zu lesen:

Die Haftung von Internetunternehmen wird die Chancen der Rechteinhaber (insbesondere von Musikern, Interpreten und Drehbuchautoren) auf faire Lizenzvereinbarungen verbessern. So erhalten sie eine gerechtere Vergütung für die digitale Nutzung ihrer Werke.

Der Bundesverband der Musikindustrie (BVMI) bezeichnete die Entscheidung, Internet-Plattformen die Verantwortung für Urheberrechtsverletzungen zu übertragen als „klares Signal“.

Ähnlich äußerte sich der Börsenverein des Deutschen Buchhandels: Die Reform mache den „Weg frei“ für ein „faires, modernes und zukunftsfähiges Urheberrecht“. Die EU-Reform stärke Urheber und Verlage. Sie „befreie Nutzer von der Haftung und zwinge Onlineplattformen in eine angemessene Verantwortung“.

Der Bundestag muss die Richtline umsetzen – CDU/CSU plant deutsches Urheberrecht ohne Upload-Filter

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat angekündigt, die EU-Richtlinie ohne Upload-Filter umzusetzen zu wollen – in Deutschland. Die Christdemokraten planen, so Nadine Schön, Digitalpolitikern und stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, eine „Pauschallizenz“. Mit dieser wolle sie auf den Koalitionspartner SPD zugehen.

Gegenwind bekommt die CDU/CSU-Fraktion aus Brüssel: EU-Kommissar Günther Oettinger warnte alle EU-Staaten und somit auch Deutschland davor, die EU-Richtlinie nicht einheitlich umzusetzen. Laut Informationen der österreichischen Zeitung „Der Standard“ dürfe Deutschland keinen „Sonderweg“ gehen. Der Streit wird jetzt koalitionsintern weitergeführt. Bis eine Einigung erzielt wird, kann es also noch ein wenig dauern. Zwei Jahre haben CDU/CSU und SPD Zeit, die EU-Richtlinie umzusetzen.

Bis dahin können Sie weiterhin Ihre Partyvideos mit der zugehörigen Hintergrundmusik auf YouTube, Instagram oder Twitter hochladen. Gefiltert wird Ihr Video vorerst nicht. Allerdings müssen Sie persönlich haften, falls der Rechteinhaber Sie ausfindig macht.

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